Tiefgang durch die Stadt.
Geschichte und Gegenwart von (dr)außen

Tiefgang hat drei Bedeutungen:

    • Man schürft tief an einem Ort und trägt wie bei einer archäologischen Expedition tieferliegende Schichten aus der Geschichte zutage.
    • Ein Ort gewinnt zudem Tiefe, wenn man sich ihn und die Themen, die mit ihm verbunden sind, vorsichtig tastend aneignet. Mit den Füßen und alle Sinnen kann man ihn dabei am besten erfassen.
    • Schließlich kann man auch in Gedanken tief eintauchen, wenn man sich im Gespräch von einem Ort in freier Assoziation inspirieren und ohne Leitplanken zum Nachdenken hinreißen lässt.

Genau dies haben wir, Thomas Bryant und Raiko Hannemann, uns in unserem Podcast „Tiefgang durch die Stadt“ vorgenommen. Wir erkunden Orte im Spaziergang, lernen deren Geschichte kennen und denken dabei über alle möglichen Themen nach, die uns der Ort sozusagen aufzwingt.

Dabei berühren wir historische, politische und gesellschaftliche Themen überhaupt.

In der Regel lernen wir die Orte im Tiefgang selbst erst (richtig) kennen und locken unsere Hörer:innen tief hinein in die Universen vor Ort.

Euch erwartet also keine Stadtrundfahrt mit gut belesenem Stadtguide, sondern eine Art Roadmovie, das uns von Ort zu Ort und von Gedanke zu Gedanke führt. Oder wenn man so will: Wissen auf unbekanntem und unebenem Terrain.

E-Mail-Adresse: tiefgang[at]kliopolis.de

Der „Tiefgang“ ist außerdem Teil des Netzwerkes #Historytelling, in dem sich mehrere spannende unabhängige Geschichtspodcasts zusammengefunden haben. Ziel des Netzwerks ist es, „das Scheinwerferlicht genau auf diejenigen Projekte“ zu richten, die keine „bezahlte Auftragspodcasts oder Radioproduktionen“ sind.

Folge 17: Jahresrückblick 2023. Hinhören in Zeiten der Ungleichheit, Kriege und Medienrevolutionen | 03.01.2024

Worum geht's?

2023 haben wir im Tiefgang viele der historischen Entwicklungen durchforstet, die bis heute unser Krisenbewusstsein alarmieren: Ungleichheit, Medienmacht, Krieg und zerbröselnde Demokratie.

In dieser Folge erinnern wir uns an unsere diesjährigen Tiefgänge in Wien, Cottbus, Königs Wusterhausen und Berlin. Es waren Themen wie verantwortungsbewusste Wissenschaft, Gewaltgeschichte in Stadtentwicklung, Ungleichheit und faschistische Gefahr, Menschlichkeit und Barbarei in Kriegszeiten oder Chancen und Gefahren von Medienrevolutionen, die uns 2023 bewegt haben. Wir nehmen die Rekapitulation der Folgen zum Anlass, um über die frappierende Relevanz der behandelten Themen in unserer Gegenwart zu sprechen.

Wir diskutieren Fragen wie: Warum sind Kürzungen sozialer Sicherheit eine Gefahr für die Demokratie? Warum haben antidemokratische Bewegungen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und Unsicherheit Erfolg – und manchmal gerade nicht? Wie nimmt Stadtentwicklung Einfluss auf Ungleichheit und Herrschaft? Warum überdauern Denkmäler antidemokratischer historischer Figuren in unseren demokratischen Städten? Wie ist die Situation von Kriegsgefangenen in heutigen Kriegen? Warum stärken Technik- bzw. Medienrevolutionen Faschismus, aber auch Demokratie?

Durchdenkt mit uns zusammen die Widersprüchlichkeiten unserer modernen Zivilisation – in Geschichte und Gegenwart. Und HÖRT mit uns zusammen genau hin, was uns „der Mann im Ohr“ eigentlich sagen möchte…

Kapitel:

– Vorspann 0:00

– Einleitung – Der Tiefgang verlässt auch mal Berlin 1:09

– Aus der Mitte – Armut und Unsicherheit als Gefahr für die Demokratie 4:41

– Wem gehört die Stadt? – Gewaltgeschichte und soziale Grammatik von Metropolen 31:36

– Nichts gelernt? – Kriege, Gefangenschaft und Gewalterfahrung zwischen Lokalgeschichte und internationaler Politik 49:06

– Mensch im Ohr – Zur Wirkung und Verantwortung von Medienschaffenden in der Demokratie 1:10:01

– Podcast oder Radio in 2024? Tiefgänge im neuen Jahr 1:47:22

– Unterm Strich: Zur demokratischen  Verantwortung an den „Schalthebeln der Macht“ 1:49:14

– Abspann 1:50:58

Wie versprochen der Hinweis auf Theodor Geigers Text von 1930:

Theodor Geiger (1930): Panik im Mittelstand. In: Die Arbeit. Zeitschrift für Gewerkschaftspolitik und Wirtschaftskunde. H. 10. S. 637-654. Link

E-Mail-Adresse: Tiefgang[at]kliopolis.de

Folge 16: Funkerberg. Radio zwischen Verführung und Verständigung | 23.12.2023

Worum geht's?

Radio begann in Deutschland 1920 mit einem Weihnachtskonzert in Königs Wusterhausen (KW). Von dort wurde das erste deutsche Radioprogramm versuchsweise ausgestrahlt. Während in den USA der Siegeszug des Mediums längst begonnen hatte, wurde 1923 in Berlin die erste offizielle Radiosendung Deutschlands ausgestrahlt –allerdings hörte keiner zu, weil die Radios fehlten. In einer rasanten Entwicklung jedoch konnte das neue Medium bis Ende der 20er Jahre Millionen Hörer:innen erobern.

Radiofunk war ursprünglich eine Militärtechnologie – man denke an die Ursprünge des Internets. Nach dem ersten Weltkrieg wurde diese Technologie zur Grundlage des ältesten Echtzeit-Massenmediums. Von Anfang an schieden sich die Geister, ob das Radio ein Instrument der Völkerverständigung, Bildung und Aufklärung sein würde. Oder ob es vielmehr dazu beitragen könnte, das Denken und Fühlen der Menschen zu normieren, und ob es sogar, qua Manipulation und Reklame, als zur gefährlichen Volksverhetzung eingesetzt wird.

In dieser Folge hört Ihr, wie sich beides bewahrheitet hat. Außerdem erfahrt Ihr etwas über die Inhalte der ersten Radioprogramme, über welche Ereignisse berichtet wurde, wie die Musik ins Radio kam und die Rundfunkanstalten entstanden sind, die es bis heute gibt.

Wir sprechen über die Weimarer Republik, die NS-Zeit, Westdeutschland, die DDR und die Nachwendezeit bis zu heutigen Entwicklungen. Unser Weg führt uns vom Funkerberg in KW bis zum Haus des Rundfunks in Berlin-Charlottenburg.

Surft mit uns durch die bewegte Geschichte und Gegenwart des Radios – ohne das auch Podcasts nicht möglich gewesen wären.

Kapitel:

– Vorspann 0:00

– War da nicht irgendwas mit Funk? 1:06

– 22.12.1920 – einst Militärtechnik nun Massenmedium 7:33

– 1923 – On Air und keiner hört erstmal zu – die ungemütliche Technik 16:28

– Was sollte im Radio laufen, für wen und wozu? Musik, Bildung, Nachrichten, Hörspiele 27:55

– Begeisterung oder Warnung, Manipulation oder Aufklärung der „Massen“ 35:32

– Siegeszug – Hörzahlen, Radioanstalten, internationale Übertragungen, Live-Reportagen, Funkausstellung 45:42

– Völkerverständigung oder Volksverhetzung? Vielfalt oder Gleichschaltung des Denkens und Fühlens? Hoffnungen und Nazi-Zynismus 56:35

– Reklame und politische Propaganda? Von der Stille zur Dauerbeschallung in der Medienmoderne 1:10:34

– ARD, Regionalsender, Deutschlandfunk – die Anfänge liegen in den 20ern 1:15:51

– Entwicklung Weltweit – USA, Frankreich, UK, Sowjetunion und das UNO-Radio 1:28:02

– GEMA, Urheberrecht und der Schallplattenkrieg 1:35:43

– Haus des Rundfunks – Rundfunktempel von den 30ern bis heute 1:46:44

– Funkturm – Denkmal des Technik- und Zukunftsoptimismus 1:59:12

– Radio in der NS-Zeit – Gift der Propaganda 2:05:38

– Radio in der Nachkriegszeit – Reeducation der NS-verseuchten Deutschen und Kalter Krieg 2:14:12

– Radio in Westdeutschland bis heute – zwischen demokratischer Aufklärung und biedermeierischer Amnesie 2:18:24

– Jugendradio Ost – DT64 2:23:39

– Problem der fairen Repräsentation der gesellschaftlichen Vielfalt im Rundfunk 2:26:40

– Radioereignisse im DDR-Rundfunk 2:29:45

– Radio seit den 1990ern 2:31:13

– Zum Schluss ein Hoch auf die Audiomedien – Radio bis Podcast 2:32:56

– Abspann 2:39:03

Auswahl Bibliografie:

Rainer Suckow: Radio! Geschichten aus 100 Jahren Rundfunk. Berlin 2023
Diemut Roether/ Hans Sarkowicz/ Clemens Zimmermann (Hg.): 100 Jahre Radio in Deutschland. Bonn 2022

E-Mail-Adresse: Tiefgang[at]kliopolis.de

Folge 15: Sielow-Merzdorf (Sonderfolge) – Interview mit Ausstellungskurator Robert Büschel | 25.10.2023

Worum geht's?

In dieser Folge interviewen wir den Cottbuser Ausstellungskurator und Museumspädagogen Robert Büschel. Robert und sein Kollege Alexander Valerius kuratierten eine Ausstellung zu den auch in Cottbus vergessenen Kriegsgefangenenlagern Cottbus-Sielow und -Merzdorf. Die letzten Spuren dieser Lager, in denen im Ersten Weltkrieg Zehntausende Kriegsgefangene aus vielen Ländern der Welt interniert waren, haben wir im letzten Tiefgang (Folge 14) ausführlich erkundet. Thema war auch die meist unbekannte Weiternutzung des Sielower Lagers (bis 1923) als erstes „Konzentrationslager“ auf deutschem Boden.

Ohne die Forschungsarbeit von Robert und anderen sowie deren Vermittlung in der Ausstellung „Ankunft auf Zeit“ hätten wir, Raiko, der in Cottbus aufgewachsen ist, und Thomas, nie von dieser bemerkenswerten Geschichte erfahren. Daher haben wir Robert auf dem ehemaligen Gelände des KGL Merzdorf ausführlich interviewt.

Robert berichtet spannend und detailreich über seine Forschungen zu den Lagern und deren Nachgeschichte. Er spricht über die faszinierenden regionalen, aber auch überraschend weitläufigen internationalen Bezüge. Robert schildert die akribische, fast kriminalistische Suche nach Quellen im Cottbuser Archiv oder in Familiennachlässen. Er berichtet, dass bis heute Nachfahren aus vielen Ländern Informationen über ihre möglicherweise in Cottbus internierten Groß-, Urgroß- oder Ur-Urgroßvätern suchen, aber auch geben können.

Wir sprechen über die regionale Erinnerungskultur und über das wichtige ehrenamtliche Engagement in der Regionalgeschichtsforschung. Zugleich problematisieren wir auch die Nachteile ‚privater Heimatforschung‘. Dazu gehört im Falle der Stadt Cottbus auch die bisher vergleichsweise noch ausbaufähige Aufarbeitung ‚unangenehmer‘ Geschichtsthemen wie etwa die Zeit des Nationalsozialismus. Problematisch sind auch illegale ‚Schatzsuchen‘ von Privatpersonen, die durch solcherart Plünderungen mit Metalldetektoren historische Artefakte und Kontexte am Fundort für immer zerstören.

Besonders wichtig ist daher die gute, aber leider materiell ungenügend ausgestattete Arbeit von Stadtmuseen bei Forschung und Vermittlung; sowie die Arbeit der Archäolog:innen des Landesdenkmalschutzes. Der beste Weg ist eine gute Verzahnung aus ehrenamtlichem Engagement, familiärer Erinnerungsarbeit und professioneller Begleitung durch ausreichend ausgestattete regionalgeschichtliche Institutionen.

Wie bedanken uns noch einmal sehr herzlich bei Robert Büschel!

Kapitel:

– Vorspann 0:00
– Einleitung: Am Weltfriedenstag über Kriegsgeschichte sprechen 1:13
– Interview mit Robert Büschel 6:43
– Vorstellung Robert 7:05
– Cottbus erinnert sich neu an die vergessenen Lager 8:40
– Nachfahren der Kriegsgefangenen melden sich immer häufiger 15:00
– Was geschah mit den Orten nach Lagerschließung bis heute? 16:40
– Wird es Gedenkorte und Schutzmaßnahmen für die letzten Spuren geben? 20:36
– Was sind die wichtigsten Quellen für die Erforschung der Lager? 25:25
– Warum wurde Cottbus Standort des ersten KL? Wie haben die Lager die Stadt verändert? 29:22
– Berühmte Persönlichkeiten als Wächter und Insassen der Lager 33:57
– Cottbus, die Lager und die Weimarer Zeit 37:06
– Regionalgeschichte als idealer Ausgangspunkt der Geschichtsbildung 41:41
– Leerstellen der Geschichtskultur: „unangenehme Themen“, Ausstattung Museum, Archäologie, „Schatzsucher“ 46:52
– Abspann 1:06:22

Links:

Robert Büschel/ Alexander Valerius: Ankunft auf Zeit (Onlineausstellung von 2021). Link
Website des Cottbuser Stadtmuseums. Link

E-Mail-Adresse: Tiefgang[at]kliopolis.de

Folge 14: Sielow-Merzdorf – „Septemberschrei“ im Cottbuser Lager | 31.08.2023

Worum geht's?

In den Cottbuser Stadtteilen Sielow und Merzdorf wurden im Ersten Weltkrieg bis zu 20.000 Kriegsgefangene interniert. Sie kamen aus Russland, Italien, Frankreich, Großbritannien, Australien, „Indochina“, Tunesien, Senegal u.a. Ländern der Welt. Ihre Schicksale sind fast vergessen. Dank einer Ausstellung des Stadtmuseums in Raikos Heimatstadt sind wir darauf aufmerksam geworden und widmen uns dieser Geschichte.

Sie ist reich an Schrecken, überraschenden, teils weltgeschichtlichen Verknüpfungen – teilweise mit NS-Geschichte. In der Geschichte der Kriegsgefangenenlager von 1914-1923 kommen Aspekte der Geschichte der Kriegsgefangenschaft, des Völkerrechts, des Rassismus (gegen „Slawen“) und Antisemitismus zum Tragen.

Wie sprechen über die tödliche Fleckfieber-Epidemie im Sielower Lager, über Strafen, Gewalt und Zwangsarbeit, aber auch über Freizeit, Solidarität sowie internationale und lokale humanitäre Hilfe in kriegerischen Zeiten.

Beim Tiefgang erkunden wir die letzten vorhandenen Spuren einer vergessenen Geschichte, die wir nur noch in Merzdorf finden. Hier wurde 1915 ein zweites KGL errichtet, deren Friedhof wir besuchen und der Schicksale der Gefangenen gedenken.

Am Ende fragen wir uns, ob das Sielower Lager, das 1921-1923 noch als Abschiebelager gegen sog. „lästige Ausländer“ weitergenutzt wurde, das erste „Konzentrationslager“ auf deutschem Boden war.

Entdeckt mit uns die überregional bedeutende und leider auch aktuelle Geschichte der KGL in Cottbus.

In der nächsten Folge hört Ihr noch ein spannendes Interview mit einem der Kuratoren der Ausstellung im Stadtmuseum, Robert Büschel.

Wie bedanken uns bei Robert Büschel vom Cottbuser Stadtmuseum für seine hervorragende fachliche Unterstützung!

Kapitel:

– Vorspann 0:00
– Auch meine Eltern wussten davon nichts 1:13
– Septemberschrei in der Niederlausitz 5:47
– Bolzplatz, Stasi, Friedhof der Kriegsgefangenen von Sielow 15:45
– Erster Weltkrieg – Warum so viele Kriegsgefangene? 20:32
– September 1914: 10.000 Schutzlose auf die Rennbahn 27:20
– Katastrophale Zustände, tödliche Fleckfieber-Epidemie 33:51
– Cottbuser Blicke auf Kriegsgefangene? Neugier, Mitleid und Rassismus 44:30
– Kriegsgefangenschaft und Völkerrecht: Haager Landkriegsordnung 47:55
– Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg 50:48
– Zwangsarbeit und Lager – Massenerfahrung der Deutschen und ihrer Nachbarn 52:30
– Freizeit, „Stacheldraht-Krankheit“, Religion und „Ehre“ 1:03:22
– Kriegsgefangenschaft seit der Antike 1:11:36
– Humanitäre Hilfe, Pakete, Briefe: Rotes Kreuz, neutrale Staaten 1:16:01
– Ein Blick auf Karten und Fotos des Sielower Lagers 1:34:59
– Lager Merzdorf: letzte Spuren im Sand 1:38:05
– Panoptikum Merzdorf: architektonische Blaupause des KL Sachsenhausen? 1:41:14
– Bericht des Roten Kreuzes Merzdorf 1915 1:46:38
– Bericht des RK 1916 1:57:41
– Tiefverwurzelter Rassismus gegen „Slawen“, Repressalien, Widerstand 1:53:10
– Ende der StaLags und Nachkriegszeit 1917-1921 2:02:53
– Lagerfriedhof von Merzdorf – Vergessene Schicksale 2:07:48
– Lagerfotos, Skulpturen und rassistische Völkerschauen 2:11:13
– War das erste Konzentrationslager Deutschlands in Cottbus? 2:12:56
– Rechtsextreme Freikorps von Cottbus aus koordiniert 2:21:45
– Fazit: „Cottbus hat’s faustdick hinter den Ohren“ 2:24:17
– Abspann 2:25:43

Auswahl Bibliografie:
Robert Büschel/ Alexander Valerius: Ankunft auf Zeit (Onlineausstellung von 2021). Link
Robert Büschel: Kriegsgefangenenlager in Cottbus. Handreichung für Schulen (o.V.)
Otto Rückert: Zur Geschichte der Kriegsgefangenenlager in Cottbus (Sielow, Merzdorf) 1914-1921, in: Niederlausitzer Studien 11, S.23-48
Rüdiger Overmann (Hg.): In der Hand des Feindes. Kriegsgefangenschaft von der Antike bis zum Zweiten Weltkrieg, Köln u.a. 1999
Jochen Oltmer (Hg.): Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkrieges. München 2006
Uta Hinz: Gefangen im Großen Krieg. Kriegsgefangenschaft in Deutschland 1914-1921, Essen 2006

E-Mail-Adresse: Tiefgang[at]kliopolis.de

Folge 13: Ringstraße – Vom antidemokratischen Bollwerk zur Straße der Zivilisation | 15.06.2023

Worum geht's?

Der „Ringstraße“ sieht man kaum an, dass sie um die Wiener Altstadt so angelegt wurde, um Revolutionen leicht niederkartätschen zu können. Heute reiht sich am Prachtboulevard ein bedeutendes Gebäude, ein Denkmal und eine Prachtpiazza an die andere.

Zu finden sind zahlreiche Paläste. Hier liegen bedeutende Tempel der Kultur und Wissenschaft: Oper, Burgtheater, faszinierende Museen und Universität. Bedeutende Architektur wurde umgesetzt; von Historizismus bis Jugendstil. Bauen musste die Arbeiterschaft, die trotz Monarchie zunehmend selbstbewusst und kämpferisch wurde.

Nationale und Weltgeschichte wurde auf und an der Ringstraße geschrieben: In der Hofburg erklärte der Kaiser 1914 Serbien den Krieg. Auf dem Heldenplatz verkündete Adolf Hitler 1938 den sog. „Anschluss“ Österreichs, womit die systematische Verfolgung der jüdischen Österreicher:innen begann.

Bereits zuvor war Österreich 1933/34 zu einem faschistischen Ständestaat geworden; ausgehend von der sog. „Selbstausschaltung“ des am Ring gelegenen Parlaments. Sozialdemokrat:innen, die besonders im „Roten Wien“ stark waren, sowie Liberale waren unter den austrofaschistischen Bundeskanzlern Dollfuß und Schuschnigg verfolgt und ins Exil gedrängt worden.

Im gewaltigen neugotischen Rathaus wirkte um die Jahrhundertwende auch der berüchtigte antisemitische Politiker, Karl Lueger. Ihn erlebte der junge Hitler, der sich in dieser Zeit gerade als Postkartenmaler verdingte.

Parlamentsgebäude und Rathaus stehen aber auch für Fortschritt. Sie bildeten ein selbstbewusstes Gegengewicht zur gegenüber liegenden Hofburg – dem Sitz der Monarchie. Sie waren – und sind es bis heute – prächtige Orte der Demokratie und einer modernen, serviceorientierten Verwaltung, von der andere Verwaltungen einiges lernen könnten.

An kaum einem anderen Ort im deutschsprachigen Raum treffen derart viele Aspekte der europäischen Moderne zwischen Zivilisation und Barbarei auf engstem Raum zusammen, wie hier.

Flaniert mit uns die Ringstraße entlang und macht Euch mit uns zusammen Gedanken über die Widersprüche der europäischen Geschichte und Gegenwart.

Kapitel:

– Vorspann 0:00
– Einleitung: von Marienthal zur Wiener Ringstraße 1:06
– Geschichte der Ringstraße: freies Schussfeld gegen Revolutionäre und Pracht der Reichen und Schönen 5:31
– Oper: „Das Königgrätz der Baukunst“? Das erste Gebäude der Ringstraße 1869 30:50
– Sezession: Prachtmal des Wiener Jugendstils 36:33
– Maria-Theresien-Platz: Die Paläste für Kunst und Wissenschaft und die Habsburger Herrschaft 42:26
– Parlament zwischen „Multikulti“ und Faschismus: Tempel der Demokratie und Mahnmal gegen ihre Feinde 55:33
– Burgtheater: die bedeutendste deutschsprachige Bühne in den Stürmen der Moderne 1:09:43
– Rathaus: Selbstbewusstsein gegen Monarchie und Kirche; liberale und fortschrittliche Verwaltung im Roten Wien 1:12:57
– Universität: Basis des demokratischen Aufruhrs, Heimstatt für Nobelpreisträger, revolutionäre Köpfe und leider auch patriarchalische Wissenschaft 1:24:34
– Karl-Lueger: Das Denkmal für den Antisemiten und populistischen Hetzer an der Ringstraße 1:31:05
– Postsparkasse: funktionales Schmuckstück der Moderne 1:32:58
– Roadtrip durch die Moderne: Zusammenfassung 1:37:34
– Abspann 1:42:57

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Folge 12: Marienthal – Arbeitslosigkeit und das Schrumpfen des Lebens | 05.04.2023

Worum geht's?

Was macht Arbeitslosigkeit mit Menschen? Das wollten die jungen Wiener Forscher:innen um Marie Jahoda und Lotte Danziger wissen. Im Auftrag der österreichischen Sozialdemokratie machten sie sich 1931/32 auf den Weg nach Marienthal – eine Industrie- und Arbeitersiedlung, in der eben erst 80% der Einwohner arbeitslos geworden waren. Die dortige Textilfabrik, die seit 1823 Menschen beschäftigte und eine kleine Stadt entstehen ließ, schloss für immer ihre Tore.

Die meisten Arbeiter:innen waren überzeugte „Sozis“ mit Arbeiterstolz, waren Mitglieder in Sport-, Kultur- und Gewerkschaftsvereinen, abonnierten politische Zeitungen. Doch die Arbeitslosigkeit verwandelte den Ort in eine „müde Gemeinschaft“. Die Forscher:innen stellten fest, dass diese radikale Krise die Menschen nicht politisch-kämpferisch machte, sondern resigniert, verzweifelt, apathisch.

Die berühmte Marienthal-Studie ist nicht nur ein Urknall der Sozialwissenschaften, sondern auch ein Plädoyer für eine humane Gesellschaftswissenschaft, die dort hingeht, wo sie auch stattfindet.

Die Studie ist eine Erinnerung daran, dass Arbeitslosigkeit eine der zuverlässigsten Krisenerscheinungen im Kapitalismus ist. Auch wenn der mediale Diskurs heutzutage eher den Arbeitskräftemangel beschwört.

Begleitet uns nach Wien und Marienthal zu den Spuren einer untergegangenen Kultur – der Arbeiter und des roten jüdischen Wien.

Kapitel:
– Vorspann 0:00
– Intro: Willkommen in Wien! 1:05
– Heute geht’s nach Gramatneusiedl 3:55
– Marie Jahoda, eine beeindruckende Forscherin 6:01
– Die Anfänge 26:10
– Vom „Kuhdorf“ zum Industriestandort 36:41
– Arbeiterkultur 44:02
– Das politische Marienthal 50:06
– 20er Jahre: erstmals Arbeitslosigkeit, dann Blüte 52:14
– 1929: Das Ende der Fabrik – Massenarbeitslosigkeit 59:04
– Die Marienthal-Studie: Geschichte, Akteure und Forschungsmethoden 1:00:27
– Revolution oder Resignation? – Fragen der SDAP 1:01:59
– 1931/32 – Neuartiges Forschen 1:06:07
– Die Autorenfrage 1:14:05
– Einstweilen wird es Mittag – Die „müde Gemeinschaft“ 1:16:23
– Geschlechterforschung 1:20:30
– Urknall der Sozialforschung 1:22:54
– Arbeitslosigkeit macht nicht rechts, sondern passiv 1:24:17
– Raus aus dem Elfenbeinturm! – engagierte Wissenschaft 1:25:53
– Nachgeschichte von Marienthal und Gegenwart 1:27:22
– Vier Typen: Resignierte, Ungebrochene, Verzweifelte, Apathische 1:30:35
– Verhältnis zwischen den Marienthaler:innen und den Forscher:innen? 1:35:57
– Unbedingt lesen! Bedeutung der Studie in Vergangenheit und Gegenwart 1:40:31
– Der etwas ärgerliche Schluss mit Aufruf, über die Studie und unsere Zeit intensiv nachzudenken 1:45:22
– Abspann 1:47:17

Literatur und Film
– Jahoda, Marie/ Lazarsfeld, Paul F./ Zeisel, Hans (1933/1975): Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch, Frankfurt a.M.
– Müller, Reinhard (2008): Marienthal. Das Dorf – Die Arbeitslosen – Die Studie. Innsbruck
– Jahoda, Marien (1932/2017): Lebensgeschichtliche Protokolle der arbeitenden Klassen 1950-1930. Dissertation 1932. Innsbruck
– „Einstweilen wird es Mittag“ – Film von Karin Brandauer. 1987/88

E-Mail-Adresse: tiefgang[at]kliopolis.de

Folge 11: Jahresrückblick 2022 – Gefahren und Chancen in „Zeitenwenden“ | 29.12.2022

Worum geht's?

Schon wieder ein Jahr voller Krisen und „Zeitenwenden“!

In dieser Folge nehmen wir die diesjährigen Tiefgänge zum Anlass, um über die alten und neuen Krisen unserer Zeit zu sprechen. Wir diskutieren über Klimawandel und Verkehrswende, über Kriege und „Zeitenwenden“, über Hungerkatastrophen und Völkermorde. Da ist es gar nicht so einfach, über Themen der Geschichte zu sprechen, die nicht mit akuten Krisen im Zusammenhang stehen.

So einzigartig Krisen sein mögen – es sei denn, sie sind Wiederholungen als Farce – so sehr durchsucht man instinktiv die Geschichte nach schmerzhaften Lehren und Blaupausen für kluges Handeln. Die Geschichtsbetrachtung in Krisenzeiten birgt aber auch Gefahren: Denn wenn „Zeitenwenden“ ausgerufen werden, können auch fortschrittliche Entwicklungen jäh unterbrochen, alles Bisherige pauschal verworfen werden. Das betrifft in diesem Jahr nicht nur die Verteidigungs- und Außen-, die Klima- und Energie-Politik. Der Diskurs über den Ukraine-Krieg hat auch die Geschichtskultur in Deutschland massiv erschüttert.

Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in öffentlichen Debatten zu neuen Tönen geführt: Begriffe, die mit der NS-Geschichte in Verbindung stehen – Vernichtungskrieg, Diktatfrieden, Blitzkrieg, Appeasement-Politik, Völkermord – werden im Kontext des aktuellen Krieges verwendet. Die kürzlich noch als legitim geltende Ansicht, dass sich angesichts der Katastrophen des 20. Jahrhunderts eine militärische Außenpolitik moralisch verbiete, steht gegenwärtig in den freundlichsten Kritiken unter Naivitätsverdacht. In der Kritik an dieser Entwicklung sind wir uns einig.

Besonders kontrovers diskutieren wir dagegen die Geschichtspolitik des Bundestages. Unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine stufte eine Parlamentsmehrheit die Hungerkatastrophe des „Holodomor“ 1932/33 als „Genozid“ ein. Wir diskutieren so kontrovers wie die internationale Geschichtswissenschaft, ob das von Josef Stalin nicht nur in der Ukraine verbrecherisch herbeigeführte Massensterben mit dem Begriff „Genozid“ adäquat gefasst werden kann. Die deutsche Debatte, ob der Holodomor und sogar der gegenwärtige Krieg „genozidale Züge“ trage, scheint auch die in Deutschland virulenten Bedürfnisse nach „Entlastung von der Geschichte“ zu adressieren.

Ran an den Tiefgang-Debattentisch und diskutiert kontrovers mit – über die Chancen und Gefahren von „Zeitenwenden“.

Kapitel:
– Vorspann 0:00
– Einleitung: Mit Keksen zum Ernst der Lage 1:04
– Unsere Tiefgänge 2022: AVUS, Nullachtfuffz’n, Essen 4:21
– Das Automobil, die Verkehrswende, die keine ist, und der verdrängte Klimawandel 5:16
– Nochmal zum NS-Kraftfahr-Korps: der Führerschein war immer politisch 29:21
– Zukunft des Autos? 30:35
– Politischer Protest gegen die Verdrängung des Klimawandels 33:21
– Diskreditierung nichtmilitärischer Außenpolitik 44:27
– Grundgesetzänderung ohne Debatte: Aufrüstung mit Verfassungsrang, Verrutschungen in der deutschen Politik 46:04
– Bundestag als Historiker, Begriffe der NS-Zeit in der gegenwärtigen Debatte 51:48
– Kriegsdienstverweigerer, Pazifist als Schimpfwort 59:59
– Rückblick auf die Folge „Nullachtfuffz’n“ – Das Sterben im 1. Weltkrieg 1:01:39
– Das Verbrechen des Holodomor – Kontroverse über die Einstufung als „Genozid“ 1:12:29
– Genozid – ein politischer, historischer, juristischer, geschichtspolitischer Begriff 1:20:36
– Gegenwärtige Debatte über den Ukraine-Krieg als geschichtspolitischer „Entlastungs“-Diskurs 1:28:55
– Kontroverse Diversität, Fakten, Argumente und gute Begriffe als Grundlage demokratischer Debattenkultur 1:40:54
– Reden über’s Essen – zwischen Hungerkatastrophen und Kulturgeschichte – Nachträge zur „Essen“-Folge 1:46:56
– Trotz alledem: Frohes und gesundes Neues! 1:54:47
– Abspann 1:56:00

E-Mail-Adresse: tiefgang[at]kliopolis.de

Folge 10: Essen – Brot, Burger, Bimmel-Bolle | 01.12.2022

Worum geht's?

Jeder muss essen. Dass heute jeder mehr oder weniger genug Nahrung bekommen kann, wie es in den EU-Gesellschaften weitgehend der Fall ist, ist eine historische Ausnahme.

In dieser Folge sprechen wir über die wechselvolle Geschichte der Ernährung während wir bei zu warmem Novemberwetter durch den Tegeler Forst spazieren. Wir beginnen unseren Tiefgang beim ältesten Gastronomiebetrieb Berlins, der seit 1410 Gäste beköstigt, und sprechen darüber, wie die frühen Menschen begannen, das Kochen zu lernen. Dann springen wir ins Mittelalter und sprechen über den Hunger der Bauern und die vollen Bäuche der Herrschenden.

Mit der aufkommenden Industrialisierung ändert sich die Ernährung grundlegend – wenn auch nicht die ungleiche Verteilung: Wir sprechen über die Erfindung der Konservendose und anderer Haltbarmachungen in der aufkommenden Lebensmittelindustrie. Anhand der Kartoffel, des Brotes, des Bieres, der Kekse, der Instantwürze und Tütensuppen, der Schokolade und des Kaffees thematisieren wir die fortschrittlichen, aber auch die Schattenseiten der Moderne. Die Entwicklungen lassen sich nicht ohne das Unrecht krasser sozialer Ungleichheit, des Krieges, des Kolonialismus, des Nationalsozialismus und der ökologischen Krisen erzählen.

Überraschendes und Nachdenkliches entdecken wir auch in der (transatlantischen) Geschichte des Fastfoods und in der Berliner Geschichte der Markthallen und Gastronomiebetriebe.

Also, kommt mit an den Tisch und erfahrt, warum Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl die Lösung sind.

Kapitel:
– Vorspann 0:00
– Intro: Im Westen nichts Neues und etwas, das alle betrifft 1:04
– Essen seit 1410 – älteste Kneipe Berlins 5:32
– Essen von der Steinzeit bis ins Mittelalter 11:21
– Konserve – Haltbares überall, koloniale Heere, Müll 25:25
– Fertigessen: Backpulver, Würze, Tütensuppen 37:13
– Cakese 39:14
– Lebensmittel vom Bimmel-Bolle 40:56
– Fastfood – Standardisiertes Essen von den Römern bis zur Burgerkette 42:57
– Erdäpfel 1 – verhextes Viehfutter und die Erfindung der Pommes 59:14
– Erdäpfel 2 – Kartoffelfäule, Steckrübenwinter, Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl 1:07:58
– Unser täglich geschnitten Brot gib uns heute 1:19:06
– Bio-Nazis? Vollkornbrot und Eintopf im Nationalsozialismus 1:30:38
– Gulaschkanone – von Armenspeisung zur Militarisierung des Essens 1:42:25
– Berliner Markthallen, Kaufhäuser und Konsumvereine 1:46:50
– Kolonialwaren – bittere Schokolade aus der „Moehrenstraße“ und Kaiser-Kaffee 1:59:19
– Biermetropole Berlin 2:03:12
– Schlachthöfe in Berlin 2:04:51
– Aschinger. Bierquellen, Vaterland und NS-Verstrickungen 2:06:14
– Fassen wir mal zusammen … was noch zu sagen wäre 2:21:23
– Abspann 2:24:01

E-Mail-Adresse: tiefgang[at]kliopolis.de

Folge 9: Nullachtfuffz‘n – Krieg und die Spandauer DIN-Norm des Todes | 31.07.2022

Worum geht's?

Im Krieg wird gestorben. „Damit die Opfer nicht umsonst waren“, so heißt es in der Kriegs-Öffentlichkeit dann häufig, „brauchen wir mehr gute Waffen, um unbedingt zu gewinnen.“

Was bedeutet Krieg für die Kämpfenden und die Zivillisten? Was richtet eine Gewehrkugel im Menschen an – in Körper und Psyche? Und woher kommen die Waffen? Im Ersten Weltkrieg kam ein erheblicher Teil der Waffen des deutschen Heeres aus Spandau. Hier wurde das berüchtigte Maschinengewehr „MG 08/15“ entwickelt und hergestellt. Durch Maschinengewehre wurden hunderttausende an den Fronten des Krieges getötet und verstümmelt.

Um die Produktion für den Mensch und Material verschlingenden Krieg zu steigern, wurde sie standardisiert. Das „08/15“ war nicht nur Ursprung einer Redewendung, sondern auch Anlass zur Erfindung der DIN-Norm.

In dieser Folge sprechen wir über die Waffenindustrie, die Spandau bis 1918 wirtschaftlich prägte. 1722 als „Gewehrfabrique“ vom preußischen „Soldatenkönig“ gegründet, entwickelte sie sich zum bedeutenden Produktionsstandort für Rüstungsgüter. Zum Höhepunkt, im 1. Weltkrieg, ersannen tausende Ingenieure und produzierten über 130.000 Arbeiter:innen immer „bessere“ Munition, Sprengstoffe, Granaten, Gewehre, Geschütze – und sogar Militärkonserven.

Im Zentrum steht das unendliche Leid, das durch den industriellen Krieg, seine unaufhaltbaren Dynamiken und seine Verantwortlichen angerichtet wurde (und wird).

Diese Folge gibt Technikbegeisterung und Heldenmythen keinen Raum.

Kapitel:
-Vorspann 0:00

-Intro: Die Hölle hatte auch in Spandau ihren Ursprung 1:04
-Spuren einer Industrie in Spandau 5:02
-Auf ein Maschinengewehr, Im Westen nichts Neues Annäherung durch Literatur 6:51
-08/15 – Ein Maschinengewehr aus Spandau wird Redewendung 17:17
-Überblick und heutige Spuren des riesigen Rüstungsindustriekomplexes 21:43
-Warum dieses Thema? Pazifismus/Antimilitarismus früher und heute 22:48
-Die Wirkungen von Schusswaffenprojektilen in menschlichen Körpern 30:55
-Wieder „Im Westen nichts Neues“ – Antikriegsliteratur hat uns was zu sagen 49:12
-Verletzungen der Seelen – „Kriegszitterer“, PTBS 53:32
-Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges – und seltsame Assoziationen zur Gegenwart 1:03:08
-Erfindung des Maschinengewehrs – bessere Waffen sollen den Frieden bringen 1:06:36
-Maschinengewehre in Kolonialkriegen und Nationalismus 1:11:07
-Geschichte des Ersten Weltkriegs – Schlachten, Opfer, neue Waffen, Revolutionen, Waffenstillstand 1:15:11
-Arbeiter:innen in der Rüstungsbranche sind keine Rebellen, außer 1918 1:31:34
-Geschichte der Gewehrfabrik und des Gewehrs seit 1722 1:35:01
-Militärisch Industrieller Komplex: Staat, Wissenschaft, Rüstungsindustrie 1:50:23
-Standardisierung der Waffenproduktion: Ursprung der DIN-Norm 1:53:06
-Waffenproduktion ist weiblich(er) – Frauen in der Rüstungsindustrie 1:58:12
-Feuerwerkslaboratorium: Forschung und Entwicklung in der Waffentechnik 1:59:18
-schicke Eigentumswohnungen, historische Assoziationen erlaubt oder nicht 2:04:04
-Abspann 2:08:39

Verwendete Literatur (Auswahl):
– Johannes R. Becher: Auf ein Maschinengewehr (Sonettzyklus von 1916). In: An Europa. Neue Gedichte. Leipzig 1916, S. 14-15. Zit. in: Wolfgang Unold: Interpretation von Johannes R. Bechers Sonettzyklus „Auf ein Maschinengewehr“ (1916) (Germanistische Seminararbeit), abrufbar hier

– Ernst Friedrich: Krieg dem Kriege (1924). Frankfurt a.M. 1980

– Gerhard Hirschfeld/ Gerd Krumeich: Deutschland im Ersten Weltkrieg. Frankfurt a.M. 2013

– Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues. Köln 1998

– Andrea Theissen/ Arnold Wirtgen (Hg.) Militärstadt Spandau. Zentrum der preußischen Waffenproduktion 1722 bis 1918. Berlin 1998

E-Mail-Adresse: tiefgang[at]kliopolis.de

Folge 8: AVUS – Dialektik des Automobils | 06.03.2022

Worum geht's?

An der ältesten Autostraße der Welt zischen die Autos vorbei. Es ist laut. Es stinkt nach Abgasen. Sie ist legendär – die AVUS in Berlin. Tollkühne Autorennen fanden hier statt. Autohersteller präsentierten immer schnellere Modelle. Hier sollte die angebliche Überlegenheit „deutscher Technik“ demonstriert werden. Nach dem Mauerbau galt sie einigen als Symbol der Freiheit des „Westens“. Heute ist sie einfach nur noch Autobahn.

In dieser Folge sprechen wir über die wechselvolle Geschichte des motorisierten Verkehrs. Wir erfahren etwas über die Anfänge des Automobils im Kaiserreich. Damals war nicht sicher, dass Benzin- und Diesel-Motoren und nicht der Elektroantrieb das 20. Jahrhundert dominieren werden. Wir sprechen über die von Beginn an enge Verbindung aus Technikbegeisterung, Autorennsport, Politik und Wirtschaftsinteressen. Im sog. „Dritten Reich“ sollten Technik und Rennfahrer auf der AVUS die angebliche „arische“ Überlegenheit beweisen. Es entwickelte sich eine unheilvolle Verbindung aus Auto-Industrie, verbrecherischer Politik und Technikromantik. Die Seilschaften dieser Zeit wirkten auch nach 1945 fort.

Während der Teilung Berlins wurde das Tempolimit zum Politikum. „Grenzenloses“ Fahren und spektakuläre Rennen auf der AVUS hatten allerdings einen hohen Preis: Tödliche Unfälle begleiteten die Geschichte der Über-100-Jährigen bis zur ihrer Stilllegung als Rennstrecke 1999.

Zu hören gibt es zudem etwas über die „futuristische“ Technikregion Berlin-Brandenburg in den 1920er Jahren und die negativen Begleiterscheinungen der rasanten Motorisierung der Menschheit im 20. Jahrhundert bis heute.

Folgt uns dahin, wo es lärmt, stinkt und flitzt – auf die AVUS!

Kapitel:
– Vorspann 0:00
– Intro: Eine alte Dame und drei Herren 1:03
– Die Anfänge des Automobils und die erste Autostraße AVUS 3:47
– Elektro oder Öl – Siegeszug der Öl-Lobby 8:30
– Automobilclubs 10:57
– Baubeginn vor dem Ersten Weltkrieg; Eröffnung 1921 16:19
– Tempolimit 15 km/h! 19:57
– Erste Autobahn in Italien 1924, erste Autobahn in Deutschland Köln-Bonn 1932 21:18
– Futurismus, Automobil, Faschismus 22:29
– Makadam, Stahlbeton, Asphalt 23:38
– NS und Rasseideologie: „Helden“, Rekorde, Nordkurve, „deutsche überlegene Technik“ 24:42
– Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps (NSKK) 30:34
– NS-Wurzeln: Technik, Sport, Politik, Auto-Lobby, Mittäterschaft, Kontinuitäten 32:35
– Nachkriegszeit: Wiederinbetriebnahme, Auto- und Motorradrennen 45:49
– Schwere Unfälle, Ende der Nordkurve 48:40
– ‚Freie Fahrt im Westen‘ – ‚Tempolimit und Mauer im Osten‘ 49:36
– Rennsport in der DDR? 53:19
– 1990 – zumindest werden Rennlizenzen anerkannt 56:34
– Die 90er – schwere Unfälle und das Ende der Rennstrecke 59:23
– AVUS-Tribüne, Messehallen, Funkturm – Ensemble der Technikbegeisterung 1:02:21
– Upps, die Batterien! 1:06:07
– AVUS als West-Berliner Heiligtum 1:06:17
– (Vergessene) Automarken aus Berlin – Futuristische Technikbegeisterung der 20er 1:07:21
– Autos, Raketen, Mondlandung 1:18:58
– Dunkle Geschichte(n) des Autos: Tod, Leid, Zwangsarbeit 1:21:28
– Das Auto: Individualistischer Freiheitsmythos und Wirklichkeit aus Landschaftszerstörung und Massenproduktion 1:23:44
– Silberpfeil und Gurke 1:27:48
– Dialektik des Autos: Lärm, Abgase, Freiheit und Unfreiheit durch Motorverkehr 1:33:03
– Abspann 1:40:09

Folge 7: Jahresrückblick 2021 – Seuchen, Soziale Ungleichheit, Solidarität (damals und heute) | 31.12.2021

Worum geht's?

Kampf um Demokratie, Pandemien, soziale Ungleichheit, Gefahr von rechts, Wissenschaft in Gesellschaft, Krise und Aufbruch an historischen Übergängen, Solidarität, Wohnungsfrage. Das waren die Stichworte der Folgen im ersten Jahr des Tiefgang-Podcasts, einem – eigentlich – historischen Podcast. Es waren dies aber auch die Themen des Jahres 2021.

In dieser Folge lassen wir noch einmal das Tiefgang-Jahr 2021 Revue passieren – und denken darüber hinaus. Wir suchen nach roten Fäden zwischen den Episoden und nach Verbindungen zur Gegenwart. Dabei begegnen uns erstaunliche Parallelen – oder man müsste besser sagen: Ob bewusst oder unbewusst, vielleicht suchten wir unsere historischen Orte und Themen aus, weil sie so gut in unsere Gegenwart passen, weil wir als ‚Kinder unserer Zeit‘ wohl nicht anders konnten, als uns eben diese Tiefgänge vorzunehmen.

In unserem Rückblick und im Nachdenken über die Themen fällt uns auf, dass wir immer wieder Orte aufgesucht haben, an denen Dinge geschahen, die historische Umbrüche auf der Epochenschwelle repräsentierten. (Alte) Gesellschaften, ihre hierarchischen Ordnungen und Lebensformen geraten in Krisen, die entweder durch scharfe Auseinandersetzungen, Gewalt gegen Minderheiten, menschengemachte Katastrophen etc. sichtbar werden. Oder sie provozieren Versuche, Gesellschaft im Großen und Kleinen anders zu gestalten und besser zu machen. Zu spüren sind dabei immer auch jene Kräfte, die das Alte bewahren und Veränderung vermeiden wollen.

In unserem Gespräch fällt uns auf, dass es in Zeiten der Spannungen zwischen Veränderungen (egal ob emanzipatorisch oder inhuman) und Beharrungskräften letztlich immer wieder darum gekämpft wird, wer die Gesellschaft gestalten darf und wer außen vor bleiben muss; sei es ganz konkret im Stadtbild oder im übertragenen Sinne in Kultur, Politik und Gesellschaft.

Tiefgang-Neueinsteiger:innen empfehlen wir diese Folge als Appetithappen für unsere bisherigen und künftigen Folgen.

Kapitel:

– Vorspann 0:00

– Ein Jahr Tiefgang: Anfänge, Wetter, Stadt 1:05

– Was ist Kliopolis? 6:18

– Weitere Kliopolis-Podcast-Formate geplant 8:47

– Gesundheit, Armut als Verbrechen, NS, DDR 12:23

– Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Gefahr 16:46

– Scharfe Kontraste im Stadtbild 18:47

– Bewusstsein von Wirklichkeit – Aufbruch, Untergang, Ignoranz 20:05

– Mit Solidarität gegen Dissoziation und Aggression 25:49

– (Erinnerungs-)Orte und historisches Bewusstsein 28:26

– Ost-West-Verhältnisse – Totalität je nach Blickwinkel 29:48

– Ist Corona ein einzigartiges ‚totales Ereignis‘ unserer Generationen? 30:28

– Rechte Gefahr, Wirtschaftskrise, soziale Frage, Klimawandel und Corona 43:02

– Rationalisierte Irrationalität – Rechtsextreme, Rassenwahn, Hygiene, Impfen 51:39

– Armut als Verbrechen und die Amnesie der Erinnerungskultur 58:35

– Soziale Ungleichheit als existentielle Gefahr der Demokratie 1:01:28

– Rechtfertigungsideologien für soziale Ungleichheit- Ursprung des Rassismus 1:07:38

– Man bleibt unter sich – Arm und Reich auf der Landkarte der Stadt 1:11:43

– Biografische Erfahrungen als historische Schätze für die Demokratieentwicklung 1:14:00

– Mehr Resonanz wagen 1:16:54

– Vorfreude auf neue Tiefgänge und Aufforderung zur Diskussion mit uns! 1:21:08

– Abspann 1:24:18

Folge 6: Feuerland – Eisen, Armut, Revolution | 24.09.2021

Worum geht's?

Die Flammen der Schornsteine der Eisengießereien vor dem Oranienburger Tor erhellen die Nacht. Industrierauch verpestet die Luft rund um die Chausseestraße und die Torstraße. Kinder, Frauen und Männer schuften bis zu 16 Stunden in den ersten Berliner Fabriken, die das Industriezeitalter kurz vor der 1848er Revolution einleiten.

In dieser Folge lernen wir nicht nur die „Pioniere“ der Industrialisierung kennen – Unternehmer wie Borsig, Egells, Wöhlert und Co. – oder die Staatseliten – allen voran den preußischen König. Vor allem erfahren wir etwas über das Schicksal des größten Teils der Berliner Bevölkerung. Wir sprechen über die ersten Proletarier:innen, die in der Lokomotivfabrik, in „königlichen“ Infrastrukturprojekten oder in stickigen Mietsräumen in Heimarbeit Metall gießen, Maschinen bauen, Schiffskanäle ausheben, Wolle und Baumwolle spinnen und weben. Wir erfahren etwas über die katastrophalen Lebens- und Wohnbedingungen in der Gartenstraße, über die Angst vor dem Armenhaus am Alexanderplatz und sogar etwas über das Schicksal der Armen nach dem Tod.

Dabei belässt es die Folge aber nicht: Wir hören auch etwas über die frühe Arbeiterbewegung, die sich langsam zu organisieren beginnt und in der 1848er-Revolution am Berliner Schloss und auf den Barrikaden kämpft.

Dabei denken wir nach über die Kontinuitäten einer sozialdisziplinierenden „Armen- und Arbeitsmarktpolitik“ bis heute und fordern eine Erinnerungskultur über das Verbrechen der Armut.

Folgt uns in die Hölle des Feuerlands und auf die Barrikaden!

Folge 5: Totentanz – Menschen und Epidemien in Berlin | 30.07.2021

Worum geht's?

In der Berliner Marienkirche befindet sich das beeindruckende Wandgemälde „Totentanz“, das während einer Pest-Welle entstand. Dargestellt werden die Stände des Mittelalters, die mit dem Tod tanzen (müssen). Auch in Berlin verwüstet der „Schwarze Tod“ die mittelalterliche Gesellschaft. Verängstige Menschen verschanzen sich in ihren Hütten, Häusern und Palästen. Die Isolation der Kranken, die Quarantäne, soll den Tod einsperren. Verzweifelt suchen die Gelehrten nach Ursachen, Schutzmaßnahmen und wirksamer Medizin. Es verbreiten sich obskure Fantasien. Juden werden verfolgt, ermordet, vertrieben. Gerüchte verbreiten das obskure Schauermärchen der „jüdischen Brunnenvergifter“. Im allgegenwärtigen Horror entstehen aber auch Kunstwerke.

In dieser Folge suchen wir nach Spuren der Berliner Epidemie-Geschichte. Wir finden Orte der Pest und der Pocken. Wir besuchen die Uni Hegels, welcher der Cholera-Epidemie von 1831 zum Opfer fiel. Wir streifen die Charité, die als ‚Pesthaus‘ gegründet wurde und auch für den Kampf der Wissenschaft gegen die Geißeln der Menschheit steht. Wir sprechen über die Entdeckung des Händewachens und der Hygiene.

Dennoch: Die Verhältnisse schaffen immer wieder neue Grundlagen für apokalyptische Epidemien: Tuberkulose wütet in Arbeitervierteln; die „Spanische Grippe“ verbreitet sich im Ersten Weltkrieg.
An der Corona-Pandemie kommen wir natürlich nicht vorbei. Wir besuchen das Robert-Koch-Institut und machen uns Gedanken darüber, wie Pandemien die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Sie verändern das Bewusstsein. Probleme werden sichtbar(er). Neue Fragen stellen sich. Das war im pestgeplagten Berlin nicht anders als in den Jahrhunderten danach.

Folge 4: Subbotnik – Solidarisches Platte-Saubermachen (Marzahn-Sonderfolge) | 04.05.2021

Worum geht's?

„Spring Clean, we say“, erklärt uns ein in London und Dresden sozialisierter Hellersdorfer, als wir ihn beim „Subbotnik“ in Marzahn-Hellersdorf treffen. Er beteiligt sich an einer Frühjahrsputzaktion, die Bürger:innen organisiert haben, die sich gegen Rassismus und in der Initiative „solidarische Kieze“ engagieren.

Wir gehen noch einmal nach Marzahn-Hellersdorf, um die Tradition des Subbotnik kennenzulernen, die bei vielen Ostdeutschen tief in ihre DDR-Erinnerungen eingewoben ist.

Subbotnik hieß: an einem Samstag etwas für das Gemeinwesen zu tun. Insbesondere im Frühjahr werkelte man meist freiwillig, um die Wohnumgebung, den Betrieb, Sportanlagen, Kleingartenanlagen, Schulen usw. aufzuhübschen. Müll wurde beseitigt, Blumen wurden gepflanzt, Wege angelegt, Fassaden gestrichen und Klubräume renoviert. Die Staatsführung war dankbar für unentgeltlich erbrachte Leistungen, die das Wirtschaftssystem nicht ausreichend in der Lage war zu erbringen. Nach der Wende brach diese Praxis vielfach ab – hier schließt sich der Kreis zur ersten Marzahn-Folge.

Der Ursprung des Subbotniks ist ambivalent. 1919 rief Lenin die Bevölkerung zum freiwilligen Aufbau des vom Bürgerkrieg zerstörten Russlands auf. Freiwillig war das nicht immer. In der Stalin-Zeit wurden Massenarbeitseinsätze nicht selten in Zwangsarbeit geleistet. Nach 1945 war die Bevölkerung in Ostdeutschland aufgerufen durch „Aufbaustunden“ mitzuhelfen, die Kriegszerstörungen zu beseitigen, neue Häuser und Infrastruktur aufzubauen.

In dieser besonderen Folge kommen die Subbotniker:innen von heute zu Wort – nicht nur Menschen mit ostdeutschen Biografien. Zu hören ist auch ein Subbotniker, der aus Afghanistan fliehen musste. Wir sprechen eine Hellersdorfer Cricketspielerin, die von Frühjahrsputz-Aktionen in Frankreich berichtet. Eine Hamburgerin und ein Hesse berichten von ähnlichen Traditionen in Westdeutschland. Deutlich werden die demokratischen Geländegewinne gemeinschaftlich engagierter Nachbarschaften, wenn sie nicht – wie nach 1990 geschehen – durch Immobilieneigentumsstrukturen ausgebremst werden.

Begleitet uns auf unseren Tiefgang durch Gärten, Spielplätze und Sportanlagen.

Folge 3: Sportpalast – Vier Pfiffe, totale Propaganda und Erinnerungslücken | 04.04.2021
Worum geht's?

„Wollt Ihr den totalen Krieg?“, brüllt Josef Goebbels am 18. Februar 1943 im Sportpalast ins Mikro; Tausende brüllen „Ja“.

In Europa haben bereits mehrere Millionen Menschen ihr Leben verloren, sei es
durch den auf Hochtouren laufenden Holocaust, sei es durch den deutschen
Vernichtungskrieg im Osten, sei es durch die Bombardierungen europäischer Städte. Inzwischen kehrt sich der Krieg gegen den Aggressor. In Berlin fallen die ersten Bomben, die 6. Armee wird in Stalingrad vernichtend geschlagen. Nun fordert Goebbels von den Deutschen, jetzt alles für den sog. „Endsieg“ aufzuopfern.

Bei unserem Tiefgang durch den Berliner Bezirk Schöneberg erkunden wir die Umgebung des heute nicht mehr existierenden Sportpalastes und nehmen die hektische Großstadtatmosphäre auf. Wir sprechen über den Palast und seine widersprüchliche Geschichte. Dabei denken wir über die Anfänge moderner Massenveranstaltungen nach; über den Ursprung der einst kleinen Splitterpartei NSDAP. Dabei zerbrechen wir uns wieder den Kopf über die Zwanziger Jahre. Wir diskutieren auch über die Nachkriegszeit mit ihren Bombenlücken und ihren noch gravierenderen Erinnerungslücken.

Schließlich forschen wir ganz grundsätzlich nach dem Ursprung der Idee eines „totalen Krieges“, der immer die totale Vernichtung zum Ziel hat und nie aufhören kann, immer neue Menschen zu verzehren. Da bleibt es nicht aus, auch über die Gefahren unserer Zeit nachzudenken.

Begleitet uns auf unseren teils düsteren Tiefgang durch das heute quirlige, bunte Schöneberg!

Folge 2: Marzahn – Utopie im Treppenhaus? | 27.02.2021
Worum geht's?

Marzahn – ein Bezirk, der bei manchem einige Vorurteile aufruft. Doch Marzahn hat damit recht wenig zu tun. Der Ostberliner Bezirk ist nicht nur architektonisch ein offenes Lesebuch für baugeschichtlich Interessierte. Vor allem verschmelzen hier eine lange Geschichte des modernen Bauens mit den verworrensten Pfaden der Geschichte des 20. Jahrhunderts. In unserem Spaziergang durch das Neubaugebiet sprechen wir über die Geschichte des industriellen Wohnungsbaus, über Alltagsgeschichte in der DDR, über die radikalen gesellschaftlichen Veränderungen nach der Wende in den 1990er Jahren – u.a. auch, aber nicht nur über den Neonazismus in der „Platte“. Wir sprechen über funktionierende Nachbarschaften als kleinste Ebene der Demokratie.Auch die Ost-West-Verhältnisse werden thematisiert sowie der Wandel des Images von Marzahn von der begehrten Wohnlage zum „Problembezirk“. Wir diskutieren die verschiedenen Sichtweisen auf Marzahn, auf die DDR-Geschichte und die Nachwendezeit aus der Perspektive der unterschiedlichen Generationen.

Und: Die Geschichte ist noch zu sehr Gegenwart unserer eigenen Lebensgeschichten, sodass wir nicht immer ganz „neutral“ auf Marzahn schauen können.

Folge 1: Humboldthain – Park, Proletarier und Bunker | 26.02.2021
Worum geht's?

Im Humboldthain, einem sog. „Volkspark“ im Berliner Stadtteil Wedding, lässt es sich herrlich spazierengehen. Doch wenn man genauer hinsieht, wird man einige spannende Relikte der bewegten Vergangenheit Berlins entdecken, die uns in unserer ersten Folge dazu angeregt haben, über die (eher dunklen) Kapitel deutscher Geschichte nachzudenken. Uns fielen aber auch reichlich Bezüge in die Gegenwart auf.

Wir sprachen über die Lebensverhältnisse des Proletariats in der Kaiserzeit und in den 1920er Jahren – dabei insbesondere über das harte Los, in dieser Zeit Kind zu sein. Die heute noch sichtbaren Spuren der gewaltigen einstigen sog. Flak-Türme im Park lieferten uns genügend Stoff, um über die Zeit des Nationalsozialismus, über seine Vorgeschichte in der Weimarer Republik und über die Nachkriegszeit nachzudenken.

Ja, und wir haben sogar Bezüge zur aktuellen Corona-Pandemie bzw. zum Thema Hygiene, Arbeit und Leistungsdruck gefunden.

Folge 0: Wissen im Roadmovie – Episode 0 | 13.02.2021
Worum geht's?

Raiko und Thomas sprechen über die Idee des Podcast, über die Bedeutung von Tiefgang und über den Begriff des Wissens und seine Unsicherheit.

Tiefgang hat drei Bedeutungen: Man schürft tief an einem Ort und trägt wie eine Archäologin tieferliegende Schichten aus der Geschichte zutage. 
Ein Ort gewinnt zudem Tiefe, wenn man sich ihn und die Themen, die mit ihm verbunden sind, vorsichtig tastend aneignet. Mit den Füßen und alle Sinnen kann man ihn dabei am besten erfassen.

Schließlich kann man auch in Gedanken tief eintauchen, wenn man sich im Gespräch von einem Ort in freier Assoziation inspirieren und ohne Leitplanken zum Nachdenken hinreißen lässt.

Genau dies haben wir, Thomas und Raiko, uns in unserem Tiefgang-Podcast vorgenommen. Wir erkunden Orte im Spaziergang, lernen deren Geschichte kennen und denken dabei über alle möglichen Themen nach, die uns der Ort sozusagen aufzwingt.
Dabei berühren wir historische, politische und gesellschaftliche Themen überhaupt.
In der Regel lernen wir die Orte im Tiefgang selber erst (richtig) kennen und locken unsere Hörer:innen hinein, tief in die Universen vor Ort.

Euch erwartet also keine Stadtrundfahrt mit gut belesenem Stadtguide, sondern eine Art Roadmovie, das uns von Ort zu Ort und von Gedanke zu Gedanke führt. Wenn man so will: Wissen auf unbekanntem und unebenem Terrain.